Von Abschieden und Neuanfängen

Neulich sagt mir mein Sohn, bald 13 Jahre alt: „Mama, ich glaub, jetzt werd ich jugendlich.“ Er hat mir noch erzählt, dass er jetzt so gern Musik hört mit seinen Freunden und dass das für ihn ein Zeichen dafür ist. Wir haben uns noch darüber unterhalten, was jetzt alles vielleicht Neues kommt und wir fanden es beide toll.

Kurz darauf erzählt meine jüngste Tochter, acht Jahre alt, eine ihrer Handlungen eines Rollenspiels, das sie mit ihren Freundinnen und Freunden gespielt hat – so fantastisch und magisch, wie ein unsichtbares Drehbuch und doch spontan im Fluss erfunden. Jetzt kommt noch meine mittlere Tochter, elf Jahre, ins Spiel. Sie erkannte plötzlich, dass sie schon länger nicht auf diese Weise gespielt hat und ihr das eigentlich gar kein so großes Bedürfnis mehr ist. Sie war selber ganz erstaunt darüber, hat sie es doch bis vor kurzem noch geliebt – und mir gab es diesen unverwechselbaren Stich, den ich schon gut kenne. Der Schmerz des Abschieds, das Erkennen, dass eine so kostbare Zeit schon bald zu Ende gehen wird. Wie hab ich es genossen, dem Spiel meiner Kinder zuzuschauen, als unsichtbare und stille Beobachterin dabei zu sein, wenn sie in ihren Phantasiewelten abgetaucht sind, immer wieder angeknüpft haben, sämtliche Requisiten, die sie dafür gebraucht haben, einfach aus unseren Alltagsgegenständen umfunktioniert haben und in diesem lebendigen, wachen, freudvollen, magischen Flow waren. So viele Jahre hat sie gedauert, diese Zeit, die Spiele wurden immer differenzierter und komplexer – tja und jetzt – erlebe ich grad ihr fade out mit.

 

Kennst du das auch? Diesen kleinen Stich, wenn du dein Kind zum ersten Mal einem Arzt anvertrauen musstest oder der erste kleine Abschied ansteht und du es in die Obhut eines anderen Menschen gibst. Kinder haben heißt ständige Veränderung und immer wieder und noch mehr: Loslassen. Ab dem ersten Atemzug unserer Kinder ist es für uns Eltern ein ständiges Annehmen, uns neu einstellen – und kaum haben wir das geschafft, geht es auch schon ans Loslassen. Wie viel schwerer es mir vorkommt als das Annehmen.  Es beginnt mit der Geburt und geht weiter mit vielen kleinen und großen Veränderungen - vielleicht der Abschied vom Stillen, oder wenn sich dein Kind selbständig von dir wegbewegen kann, irgendwann kommt die erste Nacht bei Oma und der erste Tag im Kindergarten. Und Loslassen ist tatsächlich schwerer als Annehmen – das zeigen mir die Beobachtungen an den jüngsten Säuglingen. In ihrer feinmotorischen Entwicklung lernen sie zuerst, einen Gegenstand zu nehmen und festzuhalten und erst Wochen später, ihn gezielt wieder loszulassen. Wenn du dein Kind dabei beobachtet hast, weißt du noch, wie schwierig das war.

 

Tja: so sind wir Menschen anscheinend. ABER: noch jede wunderschöne Phase, die ich mit meinen Kindern durchlebt habe, wurde abgelöst durch eine ebenso schöne und vielleicht noch schönere. Was bleibt ist unsere tiefe, lebendige Verbindung zueinander. Der kleine Stich macht mich darauf aufmerksam, jeden Augenblick auszukosten und zu genießen. Wirklich da zu sein und präsent. Das macht auch den Abschied leichter.

 

In diesem Sinne blicke ich auch zurück auf viele schöne Jahre, in denen ich im Raum für Bewegung unzählige wundervolle SpielRäume mit euch und euren Kindern erleben und genießen durfte – so viele kostbare Momente, so viele verbindende und nährende Elterntankstellen und Workshops leiten durfte. Danke für die Zeit in diesem wundervollen, angenehmen Raum. Danke liebe Doris für unsere inspirierende Zusammenarbeit, für unseren fachlichen Austausch und für den Raum, den du hier ermöglicht hast!

 

 

Und nun darf Neues kommen – und ich freue mich, euch ab April  2023 dienstags im Bewegungsraum des Waldorf-Kindergartens Schönau begrüßen zu dürfen!