Neulich im SpielRaum:
Jan liebt es, Dinge zu verteilen. Immer wieder holt er Schaufeln, Schüsseln, einen Ball und bringt ihn zu mir. Er bringt auch anderen Kindern und anderen Eltern gerne Dinge und freut sich daran, dass er sie hergeben kann und sie vom anderen freudig entgegengenommen werden.
Lisa hingegen sammelt gerne Dinge. Sie sammelt Vieles und wenn sie sich auf eine Kategorie festgelegt hat, dann sammelt sie alle Stücke davon ein. Ganz sorgsam gibt sie ihre Schätze in eine Tasche oder einen Kübel und bringt sie zu ihrem Platz. Dabei nimmt sie auch von anderen Kindern – freudig und ohne den Hintergedanken, etwas wegzunehmen. Einfach aus ihrem Sammlertrieb heraus. Mit großer Freude daran, von dieser einen Sache eine komplette Kollektion zu erstellen. Manchmal braucht es hier etwas Vermittlung meinerseits. Aber meist bekommt Lisa die Dinge, die sie sammelt von selbst und freut sich an ihrem Tun.
Geben und Nehmen ist eine Kunst, die man nur durch Erfahrung erlernt
Im SpielRaum erleben Kinder die Sicherheit, dass von allem genug da ist. Und vor allem, dass genug Zeit da ist, um sich an einer Sache satt zu spielen ohne sie vorzeitig hergeben zu müssen. Umgekehrt erfahren sie, dass ein begehrtes Spiel auch wieder frei zur Verfügung steht, wenn ein anderes Kind damit in Ruhe fertig gespielt hat. Schon jüngste Kinder machen hier ihre ersten Erfahrungen mit Geben und Nehmen auf friedliche Weise.
Die Erfahrung, von großzügigen Menschen Geschenke zu erhalten ist inspirierend (auch und besonders für uns Erwachsene) – Geschenke wie Wertschätzung, Zeit, Freude, Hilfe und Unterstützung. Von Menschen, die aus ganzem Herzen, ohne zu überlegen und ohne an eine Gegenleistung zu denken, voller Freude etwas von sich geben.
Wie von Vanessa, die eines Tages im Herbst mit einem riesigen Kübel reifer wunderschöner Trauben in den SpielRaum kam und diese an alle anderen Familien verteilt hat. Es waren nicht nur die Trauben – es war das Geschenk der Großzügigkeit. Ein Gefühl der Herzlichkeit, Wärme und Fülle hat sich ausgebreitet. Wenn man erleben kann, wie wunderschön und erfüllend das „Geben“ sein kann – nährende Worte, ein aufmerksamer Blick, ein offenes Ohr, das Erkennen und Beantworten eines Bedürfnisses des Anderen – dann entsteht der Fluss von Geben und Nehmen von ganz allein.
Wie bei Jan und Lisa.
Ganz natürlich und voller Freude.
In unserem Alltag können wir vorleben, wie viel Freude es bereitet, Geschenke empfangen zu dürfen. Ohne die kleinliche Angst, vielleicht auch etwas geben zu müssen. Wir können Gelegenheiten wahrnehmen, mit offenen Herzen anzunehmen, was uns gegeben wird. Und - wenn es uns möglich ist - mit unserer ganzen Herzlichkeit zu geben, mit dem warmen und dankbaren Gefühl im Herzen, mit dem wir selbst genommen haben und nehmen dürfen – ganz ohne etwas zurückzufordern. Das macht das Leben schön.
Ich glaube, immer wenn das gelingt, ist Weihnachten.